Die Urahnen ehren

30.04.2014 22:36

Neulich feierten wir eine doppelte „Cannonisation“, die Heiligsprechung von Jean Paul II und Jean XXIII. Aber was bedeutet eigentlich Kanonisation? Versuchen wir es doch einfach einmal auf „afrikanisch“ zu  übersetzten:

In jeder Familie gibt es hier die funerailles, die Totengedächtnisfeiern. Irgendwann mal nach dem Tod des Vaters oder der Mutter, versammelt sich der ganze Clan. Es wurde viel gespart und nun ist es so weit, wir können einen Stier schlachten und unseren Vater gebührend feiern. Zur heidnischen Zeremonie gehört, dass ein Stein in das Haus getragen wird, der den Verstorbenen symbolisiert und  über den das Blut geopferter Hühner vergossen wird. Jeder weiß, der Vater ist nicht tot, er ist da er hilft uns, er beschützt uns,  er ist die Kraft unserer Familie, er ist jetzt Urahne geworden. Natürlich kann nicht jeder so einfach als Urahne angesehen und verehrt werden. Wer eines tragischen Todes oder jung gestorben ist, kommt nicht in Frage, denn das zeugt nicht von großer spiritueller Kraft. Wer zu Lebzeiten das Unheil nicht abwehren konnte wird es wohl auch im Jenseits nicht so einfach schaffen, die Familie zu beschützen. Als klares Zeichen für einen großen Urahnen gilt natürlich auch das Fest, das organisiert wird. All der Reichtum an Speisen und Trank sind ja nur möglich weil der Verstorbene es verstanden hat, zu arbeiten,  seine Familie in Frieden zu leiten, die Einheit zu bewahren unter den vielen Söhnen und Töchtern,  denen er  Verantwortung, Ehrgefühl und Liebe beigebracht hat. Um ehrlich zu sein, kann keiner so richtig in das Herz eines Menschen sehen und sagen, ob er ein Heiliger oder ein Schuft gewesen ist. Am Ende zählt dann doch eher, wie viele Menschen nach seinem Tod bereit sind ihn durch einen angemessenen Festbeitrag zu ehren.

Es erübrigt sich, zu sagen, dass Totengedächtnisfeieren keine traurigen Angelegenheiten sind, sondern Feste, die am Vorabend beginnen, wo die ganze Nacht hindurch getanzt, getrunken und gelacht  wird, und die nach 3 Tagen langsam ihr Ende finden.

Sind Heilige der Kirche nicht etwas Ähnliches? Kirche wird in den afrikanischen Sprachen meist mit Familie übersetzt, wie im Kabiye wo es tchatchewiye heißt es. Auch diese Familie lebt von den Urahnen. Sie sind uns vorangegangen im Glauben und dann für uns zu Kraft und Schutz geworden. Wunder oder ganz einfache Zeichen der Kraft und Stärkung sollen das deutlich machen. Auch in der Kirche müssen die „Kinder“ eines jedes Kandidaten sprechen, sie bitten um die Kanonisierung und sie beten und spenden auch dafür. Bei zwei Päpsten wie Johannes Paul II und Johannes XXIII ist es klar, dass es um die Familie Kirche geht. Sonntag den 27. April erlebten wir sozusagen eine weltweite Totengedächtnisfeier. Zwei Urahnen im Glauben wurden bestätigt und gefeiert. Die ganze Kirche profitiert von ihrem Schutz und Segen.

Die Togolesen sind sich übrigens der Bedeutung des Ereignisses voll bewusst. Am Samstag, der auf die Heiligsprechung folgt, wird in Kara ein großer Dankgottesdienst mit allen Bischöfen, Priestern und einer riesigen Menge Gläubiger unter freien Himmel gefeiert werden. Trotz der vielen Urahnen im heidnischen Sinne gibt es noch keinen christlichen Heiligen in Togo. Da Johannes Paul II. 1985 Togo besucht hat, gilt er nun als der Heilige erste der auf togolesischen Boden gelebt hat. Da er die Misere im Land gesehen hat, wird er sich sicher auch im Himmel daran erinnern und die Togolesen können sich seines Schutzes und seiner Fürsprache sicher sein.

Solche Überlegungen dringen natürlich mit ganzer Kraft nicht bis ins letzte Buschdorf vor. Den Leuten aus der Pfarrei Solla habe ich deswegen gesagt: Wenn in eurer Familie Totengedächtnisfeiern sind, dann werden Stiere geschlachtet, für Jean XXIII und Jean Paul II solltet ihr wenigstens einen Kübel Tschukbier herbeibringen, damit wir nach der Messe ein wenig feiern können.