Totenfeier

02.07.2015 22:48

Ich hatte mir eigentlich nicht viel dabei gedacht, als ich vor meinem Abflug noch sagte: ¨Bei der Rückkehr werden wir dann eine Messe für Hubert halten.¨ Hubert, das ist der Mann meiner Mutter, mein Pflegevater sozusagen, der kürzlich auf tragische Weise verstorben ist. Um an seiner Urnenbeisetzung teilzunehmen reiste ich nach Deutschland. Dort gab es eine würdige Trauerfeier mit heiliger Messe, zu der auch die drei Priester und die wenigen treuen Seelen der Gemeinde gekommen waren. Es war würdig und auch sehr traurig. Anschließend gab es einen Kaffee, zu dem vielleicht die Hälfte der Trauergäste noch blieb.
Bei meiner Rückkehr nach Afrika erwartete mich eine ganz andere Totenfeier. ¨Wir haben zusammengelegt und einen Stier gekauft.¨ Freitag sollte ein richtiges Nkpo (Totengedenken) stattfinden wie es im Norden Togos vorgeschrieben und gewünscht ist. Mehr als 500 Leute waren herbeigeströmt aus allen Dörfern des etwa 30 km großen Pfarreigebietes. Viele mussten während der Messe draußen stehen. 10 Priester standen am Altar. Fast alle z.T. nichtchristlichen Chefs der umliegenden Dörfer gaben sich die Ehre. Nach der Messe gab es Essen, etwa 80 kg Reis wurde zubeitet, alle bekamen auch von dem Tschukbier, das reichlich strömte und bis zum Abend traten Tanzgruppen, Blasmusik und der Griot-Sänger auf.
Der Fakt, dass es sich dabei nicht um meinen leiblichen Vater handelte, schien keinen sehr zu interessieren, auch dass Hubert ja nie in Solla gewesen ist, schien keine Rolle zu spielen. "Es geht darum dich zu trösten." Ich muss sagen vom trösten verstehen die Menschen in Afrika etwas. Aber es geht nicht nur um mich. "Und dir bedeutet er was. Du bist extra nach Deutschland gefahren, um ihn zu ehren. Und so ehren wir ihn auch." Ich begriff: Hier in Afrika gilt der Mensch noch etwas. Hier kann sich keiner einfach so davonstehlen, ohne dass nicht das ganz Dorf auf den Beinen ist. Jeder ist wichtig, und er ist wichtig als Teil einer Gemeinschaft. Und dann gibt es ja auch noch das ewige Leben. Die Menschen glauben hier ganz einfach ohne Probleme daran. Ist das nicht ein bewegender Augenblick, wenn jemand in die Ewigkeit eingeht? Sich zu den Urahnen gesellt, die von oben über alles wachen und Gutes tun? Wer kann da zu Hause bleiben? Wer kann da seine Unterstützung verweigern. Im Prinzip habe ich gestaunt, wie gut die wunderbare Brotvermehrung bei der Gedächtnisfeier geklappt hat. Alle wurden satt. Und dann kam noch am Abend pünktlich nach dem letzten Tanz der lang ersehnte Regen. Ein sprechendes Zeichen. Hubert hat es gesandt, so wie er heute alle gespeist hat. Er ist nicht tot, er lebt...