Lautato Si in Afrika

24.08.2015 13:52

Nach dem Lesen der Enzyklika ¨Laudato si'¨ möchte ich am liebsten hier in Afrika laut meine Freunde zum Ausdruck bringen. Zunächst bin ich beeindruckt wie der Papst es schafft ein Thema, das von der Kirche bisher vielleicht eher beargwöhnt und in eine athesistische Ecke gestellt wurde, engagiert und klar zu behandeln und uns auch noch davon überzeugt, dass es hier um etwas Urchristliches, ein Kernstück des Glaubens geht und dass da eigentlich nur der Glaube echte, tiefgehende Antworten geben kann. Papst Franziskus sagt eigentlich nur Dinge, die bekannt sind, die man aber etwas vergessen hat und man staunt, wie interessant, aktuel und heilbringend katholischer Glaube ist. Da werden große Linien gezogen.
Kurz gesagt, der Papst macht uns klar, dass die Schöpfung etwas Liebenswertes ist, der Liebe Gottes selbst entspringt und von daher erhaltenswert ist. Nachdem er uns mit einer echten Leidenschaft für alle Werke Gottes angesteckt hat, zeigt er uns, dass das Problem wie immer im Menschenbild liegt. Der Mensch losgelöst von Gott und berauscht von seiner Macht wird zum Tyrannen und Technokraten. Wie könnte er auch anders, denn es geht ja um ein inneres Verstehen der Schöpfung von ihrem Sinn und Geheimnis her, die auch spirituel sein muss und die er nur vom Schöpfer her erhalten kann. Und erst mit Gott verbunden bekommt der Mensch auch die nötige Demunt und Lernwilligkeit, um alles zu begleiten und zu schützen. Hier in Afrika weiß man noch viel vom Geheimnis aller Dinge, vom unsichtbarem, dass allem Sichtbaren innewohnt.
Am meisten hat mich aber das große Dilemma der westlichen Welt berührt: Sie wissen, dass sie es sind, die die Welt zerstören aber sie können kaum etwas Wirksames dagegen unternehmen. Natürlich gibt es gerade in dieser okzidentalen Kulur viel Ökologiebewusstsein und viele gute, menschenfreundliche Gedanken und Maßnahmen. Aber angesichts des unerhörten Produktions- und Verbrauchermaschinerie, angesichts des immensen Engergiebedarf und der Verschwendungssucht, die festzustellen ist, geht das hier wohl immer nur um sehr oberflächliche, um nicht zu sagen "kosmetische" Angelegenheiten, ganz einfach um Symptombekämpfung. Man kann diese Menschen in Konsumrummel vielleicht nicht einmal anklagen. Es ist wohl eher so wie der heilige Paulus schreibt: "Das Gute, was ich tun will tue ich nicht, ich tue das schlechte was ich nicht tun will. Ich Elender, wer wird mich aus dieser Misere erretten." Rm 7,19-23
Das gleiche ist es ja auch mit dem weltweiten Teilen. Der Papst hat es ja geschafft, die klaren Linien aufzudecken zwischen der Gedankenlosigkeit gegenüber der Schöpfung und der Gedankenlosigkeit gegenüber den weltweiten Armen, oder auch denen vor der Haustür. Auch hier wird viel gutes gedacht und gemacht. Aber angesichts des genauso technokratischen, raubtierhaften Wirschaftssystem, das nur Zahlen, Höher, Schneller und Weiter kennt, bedeutet das alles nicht viel.
Papst Franzikus zielt auf die Änderung des Lebensstiles ab. Geht das so einfach? Ich glaube, ich habe damals, als ich noch in Europa war, gespürt, dass man nicht so einfach aus dem System ausscheiden kann. Bei den besten Vorsätzen, ich konnte nicht so bescheiden und arm leben, wie ich es angesichts der weltweiten Ungerechtigkeit für richtig hielt. Und so brach ich auf nach Afrika, wo ich dazu gezwungen bin. Und ich kann bestätigen. Obwohl ich mit weniger auskomme, mir fehlt im Prinzip nichts und ich bin auf jeden Fall nicht unglücklicher, wahrscheinlich glücklicher als in Deutschland. Neben der Freude an den kleinen Dingen und an dem wenigen, was man trotz allem hat, der Freude am Teilen, macht es auch froh, nicht so sehr von weltweiten Kapitalismus und Finanzgeschäften zu profitieren, sondern ganz einfach zu essen, was man geerntet hat.
Das schönste an der Enzyklika ist für mich im 6. Kapitel die "Anleitung zum Glücklichsein". Der Papst verkündet nicht nur ein autoritative Lehre, er argumentiert auch sehr gut und führt fast alle Gründe an, warum es wahrscheinlich doch wahr ist, dass " weniger mehr" ist.
Wie gesagt, wenn ich so von den Sünden der westlichen Welt lese bin ich erstaunt wie sie es immer wieder schafft, sich positiv, intelligent verantwortlich darzustellen. Ich selber habe noch viele Freunde in Europa, liebevolle, sorgsame und nachdenkliche Mensche. Die Afrikanische Welt schneidet da meistens schlechter ab, vorallem wenn man sie nicht kennt: Man denkt an Intoleranz, ethnische Konflilkte, Staatsstreich, Bereicheung, Misswirtschaft und Korruption in den oberen Schichten und die Ableger dieser Haltungen verbunden mit einer gewissen Dumpfheit, die alles akzeptiert, bei den einfachen Leuten. Beim Lesen der Enzyklika kamen mir da viele Zweifel. Die westliche Welt kann auch ganz anders empfunden werden, wenn man mal unsere Verehrung für die Ration weglässt. Islamistische Gruppen, die ich nicht rechtfertigen will, und weite Teile der arabischen Welt, die ja auch ein mehr raubtierhaftes Gesicht Europas kennengelernt haben, empfinden das schon immer anders.
Und die Afrikaner mit ihrem gewissen Minderwertigkeitskomplex vor den schlauen "Wessis", könnten das auch bald anders empfinden, wenn sie die Enzyklika aufmerksam lesen. Auf deutsch gesagt: Der größte Mist, den wir im Weltmaßstab im Moment erleben, wird wahrscheinlich durch die gemacht, die sich immer für die Schlausten, Liebevollsten und Verantwortlichsten halten. In Afrika dagegen weiß man schon seit langem wie man mit wenig glücklich sein kann. Und das ist wirklich eine Kunst, die man nicht von heute auf morgen lernt. Das hat etwas mit Kultur und Philosophie zu tun, damit, dass man nicht jeden Tag in die Perfektionsfalle tappt.
Ich lese in der Enzyklika einen großen Hilfeschrei nach Afrika: Helft uns! Wir haben vergessen, was Leben, Beziehung und Gottesnähe ist, all jene Dinge die wahres Glück und Freude sind. Helft uns werdet unsere Lehrer. Wir brauchen euch. Denn "Wenn das Herz leer ist, dann braucht es immer mehr Dinge, die es kaufen, besitzen und konsumieren kann." LS 204