David Livingston

12.04.2019 21:47

Zunächst freut mich an Livingstone natürlich, dass er Missionar ist. Er kommt nicht mit leeren Händen nach Afrika, sondern hat etwas ganz kostbares anzubieten. Aber er drängt es den Leuten nicht auf. Dass er den Glauben nicht nur als Vorwand nimmt, zeigt, dass dass selbst der sozialistische Autor des Buches manchmal über ihn lächelt, wenn der große Reisende versucht Himmel und Hölle zu erklären oder das ewige Leben. So dumm das alles klingt, für Livingstone ist das etwas so Kostbares wie europäische Technik und englische Waren, die er den Afrikanern nicht vorenthalten will. Dabei hat er kein Überlegenheitsgefühl, sondern eher den Gedanken: Wenn wir es sind, denen Gott das alles geschenkt hat, dann müssen wir auch losziehen und mit anderen teilen, es ihnen wenigstens zugänglich machen. Ich denke man darf den Glauben Livingstones nicht vergessen. Man würde ihn und sein Handeln sonst nicht verstehen.

Vorallem beeindruckt mich an Livingstone der Forschergeist, der Drang nach Entdeckung. Es gibt überall etwas Neues kennenzulernen, vor allem in Afrika. Nicht nur Menschen, auch Tiere, Gräser, Flußläufe, Sprachen, aber vor allem Menschen, deren Charakter er klug studierte, und jeden zu nehmen wusste wie er es brauchte. Keiner wird in Schubladen einsortiert. Für das Neue braucht man keine Wertung, es ist immer kostbar, weil es neu ist. Ich glaube, das ist es vor allem, was ihn sein ganzes Leben vor rassistischen, abwertenden Gedanken gegenüber einem noch so primitiv erscheinenden Afrikaner bewahrt. Die Versuchung war groß und das Umfeld wenig günstig für Apostel der Gleichheit aller Menschen. Vielleicht kann man sagen: Entweder du bist Entdecker oder du wirst Rassist.

Diese Freunde am Entdecken und Lernen kann man auch als Liebe bezeichnen. Livingstone muss Afrika wirklich geliebt haben. So sehr, dass er kaum nach England zurückkehren wollte und es vorzog elend in einem Dschungeldorf zugrunde zu gehen. So sehr, dass er nie genug kriegen konnte von dem Kontinent und seinen Menschen. Ich kann sagen, dass Livingstone meine Liebe zu Afrika und seinen Menschen neu entfacht hat. Man wird ja immer ein wenig blind oder gleichgültig, wenn man lange an einem Ort ist. Jetzt frage ich mich auch wieder, warum ich schon solange hier in diesem Buschdorf bin. Es ist verrückt, oder muss Liebe sein.

Zur Liebe gehört auch Leiden. Ich glaube man darf sich Livingstone nicht ohne Fieber, Erschöpfung, wunde Knie und lästigen Durchfall vorstellen. Ich hatte auch rein zufällig Fieber als ich das Buch las, genau wie du, Jonathan. So hatten wir wirklich eine gute Reality-Lektüre, wenn ich das mal so sagen darf.

Nun noch zu Livingstone den Friedens-Menschen. Ich will nicht Pazifist sagen, denn das ist eine Ideologie. Livingstone lief auch mit seiner Pistole herum und hatte seine Leute mit Gewehren ausgerüstet. Aber er gebrauchte sie sehr selten. Er hat Afrika durchquert, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, obwohl es an Gelegenheiten nicht mangelte und selbst seine afrikanischen Begleiter andere Lösungsversuche gewöhnt waren. Er hatte einfach Fähigkeiten die andere nicht hatten: Menschenkenntnis, schon im Blick eines anderen Entdeckungen zu machen, Geduld und harte Nerven. Geduld ist die Fähigkeit zu leiden. Und das hatte er ja genügend Gelegenheit zu lernen. Ich liebe auch den Frieden, aber ich weiß nicht, ob ich in ähnlich brenzeligen Situationen die gleiche Geduld und Klugheit beweisen könnte. Aber ich nehme ja auch nicht so viele Leiden in Kauf wie er. Der Autor, Herbert Wotte, macht sich ein wenig lustig über die Leichtgläubigkeit Livingstones gegenüber den englischen Geldhaien und Realpolitikern, seinen Glauben an das gute in England. Das wird wohl daran liegen, dass er keinen Unterschied gemacht hat. Er glaubte an das Gute im Menschen. Das hat ihn immer geholfen ruhig zu bleiben in brenzeligen Situationen. Er glaubte an das gute im Menschen im Herzen des angeblich Wilden am Sambesi und im Herzen des Großkapitalisten und Machtmenschen der englischen Krone. Er schaft es ja sogar, sich mit arabischen Sklavenhändlern zusammenzusetzen und zu plaudern, obwohl der den Sklavenhandel zutiefst verabscheut. Auch der Sklavenjäger ist zunächst erst einmal ein Mensch. Ich denke ohne seinen Glauben an Gott hätte er da nicht so ruhig bleiben können. Erst wenn man sicher ist, dass Gott die Übeltäter richten wird und nicht wir es andauernd müssen, kann man in solchen Situationen ruhig bleiben. Der Glaube ist das Fundament eines wirklichen und dauerhaften Pazifismus, so wie in Livinstone vorgelebt hat.

Ich glaube, mit seinen Schriften hat Livingstone viel bewirkt. Der Autor selbst schreibt ja, dass in England nach seiner Rückkehr ein Sinneswandel stattgefunden hat. Die Horrorgeschichten von den Wilden, die Leute geschrieben haben, die sich nicht die Mühe gemacht haben zu verstehen oder, wie Stanley, sich gerne als mutig Urwaldkämpfer darstellten, nahmen ab. Die Idee der Geichheit aller Menschen und die Ächtung der Sklaverei brauchte auch Faktenmaterial, tausende Beispiele, die belegten: Nichts menschliches ist ihnen fremd! Und Livingstone lieferte sie.

Es sind so viele Geschichten in seinem Leben, die man einzeln herausnehmen und den Kindern erzählen könnte: Mut-Geschichten, Entdeckungsgeschichten, Friedensgeschichten, Verblüffungsgeschichten, Weisheitsgeschichten – und alles ist afrikanisch. Ich hoffe, dass ich Zeit dafür habe, auszuwählen, mir zu merken und anderen etwas davon zu schenken.